Das erholsamste Mittel gegen den täglichen Stress, gegen die permanenten Zumutungen und Verführungen, ist der Mittagsschlaf.
Die erste Erfahrung mit dieser genialen „Erfindung“ habe ich bei der Bundeswehr gemacht. Permanenter Schlafmangel ließ mich eine Stunde unserer Mittagspause dem Schlaf opfern. Ich habe sehr schnell erkannt, dass ich diese Zeit brauche, um die ständigen Sinnesreize zu verarbeiten. Der Schlaf zur Mittagszeit teilt mir den Tag in zwei Hälften. Nach exakt einer Stunde (ohne dass ich mir den Wecker stellen müsste) stehe ich erholt und vor allem gelassen wieder mitten im Leben.
Das allmähliche Einschlafen erzeugt bei mir einen Realitätswechsel. In der Einschlafphase verschwimmt gerade Erlebtes und vermischt sich mit fantastischen Bildern. Mein Mittagsschlaf ist immer bunt, während der Nachtschlaf oft schwarz und bleiern ist.

Im Mittelalter verschob sich die Zeit der Ruhepause und der Mahlzeit vom späten Vormittag auf ca. 14 Uhr, auf den Mittag. Dadurch entstand eine neue konkrete Zeiteinheit: der halbe Tag, der Mitt-Tag. Und die Siesta, die ja noch heute in den südlichen Ländern gepflegt wird, ist ein Freiraum, eine Zeit für sich selbst. Ein Knick in der geraden Linie der Arbeitszeit. In der Mittagszeit kann man nachdenken, tagträumen, Espresso trinken oder schlafen. Sich einfach gehen lassen. Wir halten inne und können den Kopf leeren, uns neu orientieren.
Der Mittagsschlaf ist erfüllte Lebenszeit und für mich ein Höhepunkt des Tages.
Ich behalte die Kontrolle über die Zeit und verhalte mich subversiv gegenüber dem getakteten und durchorganisierten Leben.
Nach mehreren Jahrzehnten Erfahrung mit dem Mittagsschlaf – ob nun im Bett, im Auto, in der Hängematte und auf der Luftmatratze auf einem holländischen Campingplatz, der Schlaf bei 38° Celsius und der bei 4 Grad – weiß ich: Nur ein Tag mit einer Siesta ist ein geglückter Tag.

Buchtipp (Link): Thierry Paquot: Die Kunst des Mittagsschlafs
Link: praxis-dr-feld.de